Preisträgerinnen und Preisträger 2024
Linda Wolfsgruber: sieben. die schöpfung
Tyrolia Verlag 2023
120 Seiten
Ab 5 Jahren
Schöpfungsmythen gehören zu den ursprünglichsten menschlichen Überlieferungen. Der biblische Schöpfungs-Hymnus wird dabei geprägt vom Moment der Fülle: In einem Reigen von sieben mal sieben doppelseitigen Bildtafeln greift Linda Wolfsgruber dieses Moment der Fülle auf und führt das göttliche Geschehen dabei illustratorisch parallel zum evolutionären: Aus dem Chaos der Urflut bildet sich nach und nach Materie und mit ihr das immer komplexer werdende Leben heraus. Drucktechniken werden dabei mit einer Kratztechnik kombiniert, durch die aus der Oberfläche des Nichts die farbintensivsten Pflanzen und Tierwesen sichtbar werden – allesamt inspiriert von den zeichnerischen Studien, die Linda Wolfsgruber über Jahre im Naturhistorischen Museum Wien gefertigt hat. Auf der Textebene wird nicht nur die Einheitsübersetzung des Alten Testaments, sondern auch jene in gendergerechter Sprache genutzt, sodass Gott keine geschlechtliche Markierung erfährt. Dem entspricht eine zwar stilistisch auf den Menschen hinauslaufende, ihn*sie aber nicht als normative Krönung der Schöpfung etablierende Darstellung, mit der die schlichte Eindrücklichkeit der Bilder ihre einzigartige Konturierung erfährt.
Michael Hammerschmid: stopptanzstill! Wiener Tier Figuren Gedichte
Picus Verlag 2023
96 Seiten
Ab 5 Jahren
wale sind groß … können aus kupfer sein fleckig sein sehr alt sein /
auf dächern schwimmen und innen die nacht verschlingen …
„stopptanzstill“ ist nicht nur die Präsentation einer besonderen Tierschau, sondern zugleich eine inspirierende Entdeckungsreise durch Wien und das im Dezember 2023 wieder eröffnete Wien Museum. Ob Ausstellungsstücke des Museums oder Skulpturen und Bilder an Hauswänden im urbanen Raum – man findet sie unvermutet und fernab ihres eigentlichen Lebensbereichs: verschiedenste Tier-Figuren aus unterschiedlichen Materialien, die hier in wunderlichen Text-Bild-Arrangements vorgestellt werden. Eine Jagdszene an der Fassade, ein Krokodil über einem Geschäftslokal, ein Kamel im Gemeindebau, seltsame Fantasiewesen oder der berühmte Blechwal, der einst den Eingang des Gasthauses „Zum Walfisch“ im Prater zierte und im Wien Museum eine neue Heimat gefunden hat. Sie alle haben eine Geschichte, die Michael Hammerschmid in eloquenten lyrischen Reflexionen, skurrilen Dialogen oder tiefsinnigen tierischen Monologen aufspürt. Ein bestrickender und animierender Ausgangspunkt, von dem aus – stopptanzstill! – Bestehendes neu definiert wird, real Vorhandenem, zufällig Entdecktem vielfältig-atmosphärische Sprachgebilde eingeschrieben werden, die sich zu immer wieder überraschenden Klang-Bild-Inszenierungen verbinden.
Petra Piuk, Gemma Palacio: Josch, der Froschkönig. Ein Nicht-Märchen
Leykam Verlag 2023
64 Seiten
Ab 6 Jahren
Es ist ein unterhaltsames und freches Spiel mit Klischees, Motiven und Textsorten, das Petra Piuk und Gemma Palacio in ihrem „Nicht-Märchen“ treiben. Gleich zu Beginn ruft da die weibliche Hauptfigur ein lautes „STOPP!“ in die mit „Es war einmal …“ beginnende Geschichte hinein und wirft die Frage auf: „Können Märchen nicht mal anders anfangen?“ Natürlich können sie das! Zumindest in dieser modernen, zeitgeistigen Variation. Da ist die aufmüpfige Jessica zwar eine Königstochter, weil ihr Papa Karl König heißt, wohnt mit ihrer Familie aber nicht in einem Schloss samt Park und Brunnen, sondern in einer Zweizimmerwohnung. Als absolute Goldkugel-Verweigerin und leidenschaftliche Fußballspielerin trifft Jessica – ausgerechnet am 28. April, dem „Save The Frogs Day“ – auf Frosch Josch, den Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel des Froschkönigs. Der wäre gerne der Disco-King auf der nächsten Moor-Blubber-Party. Doch der Weg dorthin ist durch zunehmende Bodenversiegelung extrem gefährlich. Als Jessica helfen will, verwandelt sie sich selbst in eine grüne Amphibie … An dieser Stelle nun sollen die Leser:innen selbst aktiv werden, denn die abenteuerliche Reise zur großen Moor-Sause erfolgt in Form eines Brettspiels. Dort warten Hindernisse wie Brunnenschächte oder diverse Fressfeinde auf die Protagonist:innen, abwechslungsreiche Ratespiele wiederum bringen die beiden vorwärts.
Josch, der Froschkönig ist ein schwungvolles, interaktives Buch, das mit diversem Figurenrepertoire und einem erfrischenden Umgang mit dem Thema Naturschutz aufwartet.
Lilly Axster: Ich sage Hallo und dann NICHTS
Tyrolia Verlag 2023
200 Seiten
Ab 14 Jahren
Alles von sich zu werfen – die eigenen Klamotten, das eigene Leben – scheint für Jay eine Möglichkeit, sich aus ihrem indifferenten Dazwischen zu befreien. Dieses Spiel mit der individuellen familiären und kulturellen Verortung jedoch erhält einen ganz neuen Spin, als Jay auf Leo trifft – und Jays Wunsch, das NICHTS herzustellen, mit der Biografie einer Jugendlichen verschränkt wird, die dem NICHTS ausgesetzt ist. Leos Erzählperspektive beschränkt sich auf fragmentarische Passagen, Mitteilungen, die wie weggelegte Zettelchen wirken, vielleicht sogar von unterschiedlichen Personen stammen? Im assoziativen Arrangement des Erzählens jedoch wird Leos Persönlichkeit immer deutlicher sichtbar – auch wenn sie nicht fassbar ist. Wie aber kann man mit einer multiplen Persönlichkeit befreundet sein? Sich vielleicht sogar in sie verlieben? Lilly Axster vermag aus einer diversen Gesellschaft heraus zu erzählen, ohne die Fluidität ihrer Figuren zwanghaft zu benennen oder gar zu erläutern. Vielmehr lässt sie das gleichermaßen situative wie existentielle Miteinander von Grenzerfahrungen und Grenzüberschreitungen zu einer gleichermaßen lustvollen wie prägenden Erfahrung ihrer Figuren werden.