Über die Arbeit an den Preisbüchern 2016
Verena Hochleitner über die Arbeit an dem Buch "Der verliebte Koch"
Auslöser für das Buch war ein Gedankenspiel. Im Skizzenbuch hatte ich schon einige sprachliche Ideen zur "Fortbewegungsart" von Gedanken notiert: "Einen Gedanken spinnen", "um die Ecke denken", "einen Gedanken aufnehmen", "einen Gedanken übertragen" etc. Zu dieser Sammlung hatte sich das Bild eines verliebten Kochs, der seine Gedanken in eine Speise einrührt, gesellt und ich hatte einen Ausgangspunkt für meine Geschichte gefunden. In der Folge habe ich verschränkt an der textlichen und bildlichen Ebene gearbeitet und gefeilt. Das Buch bedeutet mir besonders viel, weil ich zum ersten Mal auch für den Text verantwortlich bin.
Barbara Schinko über die Arbeit an dem Buch "Schneeflockensommer"
Woher stammt die Idee zu dem Jugendbuch "Schneeflockensommer"? Alles begann mit meiner modernen Frau-Holle-Interpretation, dem "Märchen von der Pechmarie". Ich liebe das Spiel mit Märchenvorlagen, und bei "Frau Holle" stachen mir zwei Aspekte besonders ins Auge: Erstens fehlt in der Vorlage die Beziehung der Schwestern zueinander fast komplett, vor allem im Hinblick auf das Ende. Freut sich die perfekte Goldmarie, dass ihre bevorzugte Schwester in Ungnade fällt? Und zweitens: Frau Holle verhält sich gegenüber der Pechmarie so harsch wie die Mutter gegenüber der Goldmarie. Ein Glück, dass nicht beide Frauen dasselbe Mädchen als ihr Opfer wählen – da gäbe es kein Entrinnen!
Mich reizte die Herausforderung, die Pechmarie – die undankbare, widerspenstige Tochter und Schwester – zur Protagonistin zu machen. Die Märchenvorlage endet damit, dass sie zum Lohn für ihre Dienste mit Pech übergossen wird. Was aber kommt nach diesem Ende? Wie lebt es sich mit all dem Pech, mit den inneren und äußerlichen Narben, die man nie ganz los wird? Genau darum geht es in "Schneeflockensommer": um die Bewältigung von Schuld.
Kürzlich wurde ich gefragt, was mich am Schreiben besonders fasziniert. Mich faszinieren vor allem Widersprüche – Charaktere, die etwas sagen und etwas anderes meinen, die etwas tun und etwas anderes tun wollen, die etwas sind und etwas anderes zu sein scheinen. Die sich hinter Masken welcher Art auch immer verbergen. Diese Widersprüche begleiten mich auch durch mein Leben abseits des Schreibens. Ich bin zum Beispiel ein eher häuslicher Mensch, reise aber irrsinnig gerne. Ich bin eine Städterin – zugleich fasziniert mich das ländliche Leben, diese gewachsenen dörflichen Strukturen, die es zu navigieren gilt und die in "Schneeflockensommer" eingeflossen sind. In dem Roman geht es ja auch sehr viel um Außenseiter im Dorf (wie Berta) und um Menschen, die im Dorf tief verwurzelt sind (wie Linus).
Und wie kam es zum Titel? Mir gefällt die Wortschöpfung "Schneeflockensommer" sehr gut, weil sie die Widersprüchlichkeit abbildet, die in dem Buch steckt. Sommer und Schnee, das passt zu Bertas weichem Kern unter einer ruppigen Schale und zu Marie, die wegläuft und ihre Schuld doch immer mit sich trägt. Und natürlich ist der Titel auch eine Anspielung auf das zugrunde liegende Märchen.
Kathrin Steinberger über die Arbeit an dem Buch "Manchmal dreht das Leben einfach um"
Der Impuls für eine Geschichte kommt immer anders. Hier hat es mit Kevin angefangen. Er war eines Morgens plötzlich da, Name, Aussehen, Story. Ich fand das sehr spannend, war aber irritiert, weil er Skateboarder war (ich wusste nichts über diesen Sport). Also habe ich die Idee etwa ein Jahr liegen gelassen, bis meine kleine Tochter in die Kindergruppe ihrer großen Schwester kam und ich mehr Zeit hatte. Im September 2013 hat alles gepasst. Man hat meiner Motivation die lange Pause davor angemerkt: In 6 Wochen war die erste Version niedergeschrieben. Parallel zum Überarbeiten des Textes ist dann ganz viel Recherchearbeit passiert, um die Welt der Skateboarder zu verstehen. Erst da habe auch ich wirklich begriffen, wieso Kevin Skateboarder geworden ist. Anfang 2014 war der Text soweit "fertig" (soweit das möglich ist), um ihn dem Verlag zu geben.
Geschichten köcheln lange in mir, da wirke ich untätig und kann Fragen wie "Schreibst du was Neues?" nur mit "Inwendig schon" beantworten. Wenn ich mich ans Tippen mache, ist das meiste schon da. Ausnahmen, dass ich plötzlich "abbiege" und mich selber über die interessante Wendung wundere, kommen vor, aber eher selten.
Ich schreibe eigentlich ausschließlich zu Hause, entweder am PC oder (etwa im Bett) am iPad. An anderen Orten kann ich mich nicht gut konzentrieren. Wenn das Schreiben noch nicht fließt, lenkt mich vieles ab – dann sind etwa meine Fenster plötzlich sehr sauber. Wenn ich den Flow gefunden habe, kann ich bis 3 Uhr nachts schreiben, um 6 Uhr wieder aufstehen, die Kinder wecken und bringen, und mich dann wieder an den PC setzen, bis der Nachwuchs abzuholen ist. Haushalt und Sozialleben grundeln dann einige Wochen lang am Existenzminimum dahin. Zum Glück ist meine Umgebung mittlerweile darauf eingestellt.
Ich verbinde viel mit "Manchmal dreht das Leben einfach um". Seit meinem letzten Roman waren 5 Jahre vergangen, die intensiv und bewusst meinen Töchtern gewidmet waren. Es war befreiend und inspirierend, sich wieder an die Kreativarbeit zu setzen, ich habe sehr nah an der Geschichte gelebt (und mir gleich selber meinen ersten Knochen gebrochen, auf dem Skateboard…).
Heidi Trpak über die Arbeit an dem Buch "Willi Virus. Aus dem Leben eines Schnupfenvirus"
Was war zuerst da – ganz klar, der Willi! Mein Sohn hatte einen Schnupfen mit total rinnender Nase und ich fragte mich, woher, da es Sommer war und wirklich warm. Eigentlich untypisch für diese Jahreszeit, einen Schnupfen zu bekommen. In der Nacht kam mir dann die Idee, man könnte ja etwas über den Schnupfenvirus schreiben. Er betrifft alle Menschen, jeder kann mitreden, aber die wenigsten wissen viel über ihn. Ich genauso. So setzte ich mich neugierig zum Computer und tauchte ein in die faszinierende Welt der Viren. Vor allem die Abende, wenn die Kinder im Bett schlummerten, las ich mich durch die vielen wissenschaftlichen Seiten. Das war wirklich hochinteressant! Vor allem erstaunte mich, dass die Wissenschaftler den Virus nicht als Lebewesen anerkennen, da er sich ohne Wirt nicht alleine fortpflanzen kann. Und doch kann er sich so unglaublich schnell verändern und anpassen.
Nun musste ich mein Wissen in kindgerechte Sprache umsetzen und in eine launige Erzählform bringen. Das war gar nicht so einfach, ich hatte so viel Material gesichtet und wollte zuerst noch viel mehr davon hineinpacken. Mich hatte das Thema so gefesselt und das Kürzen von Texten war durchaus schwierig. Schließlich sollte es flüssig lesbar und verständlich sein für Vorschul- und Volksschulkinder. Und der Spaß sollte auch nicht zu kurz kommen.
Als ich dann den Entwurf von Leonora Leitl sah, gefiel mir der gezeichnete Willi sehr gut. Er kam ganz sympathisch herüber! Sie zeichnete auch ein Kind beim Inhalieren, dazu musste ich noch Text ergänzen.
Ich hielt schon in vielen Volkschulklassen Lesungen und es erstaunt mich immer wieder, wie interessiert die Kinder bei diesem Thema sind. Eine Schulstunde ist für die Kinder fast zu wenig, da sie unendlich viele Fragen haben, besonders in Bezug auf Krankheiten. Persönlich wird mich der Willi vermutlich jeden Herbst aufs Neue daran erinnern, was für ein faszinierender und hartnäckiger Zeitgenosse er ist! Selbst wenn er mich nicht jedes Jahr besucht: in meiner Kindergartengruppe ist er von Herbst bis Frühling immer zu Hause!
Leonora Leitl über die Arbeit an dem Buch "Willi Virus. Aus dem Leben eines Schnupfenvirus"
Was war der Auslöser für Ihr Buch?
Ich habe einen Textentwurf vom Verlag angeboten bekommen und habe das Thema interessant gefunden. Da habe ich noch nicht geahnt, was auf mich zukommen würde ...
Was war zuerst da?
Der Textentwurf vom Verlag und eine sehr vage Vorstellung vom Schnupfen.
Eine vage Idee?
Eine sehr vage Idee. Schnupfen kennt doch schließlich jeder. So habe ich mir das zumindest gedacht. Ich habe jedoch nicht geahnt, dass man über Schnupfen kaum etwas im Internet findet. Also habe ich sogar ans Virologische Institut in Wien geschrieben und sie um Hilfe angefleht.
Ein konkretes Erlebnis?
Schnupfen hab ich schon sehr oft gehabt.
Eine der Figuren?
Nach sehr intensiver Recherche und dem super Tipp vom Virologischen Institut, auf Englisch zu googeln, war mir endlich klar, wie Willi eigentlich in Wirklichkeit aussieht! Und dass er grün wird, war mir von Anfang an klar. Rotzgrün eben. Sein endgültiger Name Willi hat ein bisschen länger gedauert …
Das Thema?
Ich habe lange überlegt, das an sich trockene Schnupfen-Thema etwas aufzupeppen. Zum Glück sind mir dann die Schnupfen-Promis eingefallen.
Wie gehen Sie ans Werk?
Zuerst mache ich sehr viele Skizzen, um mir klar zu werden, wie die Hauptpersonen ausschauen. Danach zeichne ich ein Storyboard, um den genauen Ablauf des Buches festzulegen. Nach dem Storyboard zeichne ich dann die einzelnen Buchseiten. Meist in der Reihenfolge durcheinander. Eher am Schluss das Cover.
Gibt’s regelmäßige Arbeitszeiten?
Ja, ich arbeite jeden Vormittag in meinem Büro. Wenn ich sehr viel Arbeit habe auch manchmal nachmittags.
Einen speziellen Ort zum Arbeiten?
Mein 8 m2 großes (heiß geliebtes) Büro.
Wird zuerst entworfen, skizziert und probiert – und dann ins Reine geschrieben bzw. gezeichnet? Oder ist alles bereits in der Vorstellung vorhanden, wenn Sie sich zur Arbeit setzen? Können Sie uns etwas über den Weg von der Idee zum fertigen Buch erzählen? Was waren die künstlerischen Herausforderungen bei Ihrem Preisbuch? Was verbinden Sie persönlich mit diesem Buch?
Die größte Herausforderung war eine geeignete Technik für den Willi zu finden. Einfach nur zeichnen war mir zu langweilig. Also habe ich aus Tortengelee (hochkonzentriert) eine Druckplatte gegossen und mit dem Schneebesen viele kleine Luftbläschen hineingeschlagen. Die erstarrte Geleeplatte habe ich mit Linoldruckfarbe eingewalzt und Abdrucke produziert. Aus diesen Drucken habe ich die Collagen zum Willi-Buch gemacht. Alles in allem war das ziemlich mühevoll, und von allen meinen Büchern war Willi Virus das arbeitsintensivste. Vor allem auch wegen der zeitaufwändigen Recherche. Direkt nach der Fertigstellung dachte ich mir: Ich mach sicher nie wieder ein Sachbuch! Diese Meinung habe ich in der Zwischenzeit aber schon wieder revidiert – Willi ist mir zu einem guten Freund geworden.