Über die Arbeit an den Preisbüchern 2011
Michael Roher über seine Arbeit an Fridolin Franse frisiert
Die Grundidee bei Fridolin Franse frisiert war es, ein Wimmelbuch einmal etwas anders zu gestalten. Mich haben Bilder immer fasziniert, in denen es so viel zu sehen gibt, dass man auch beim 10. Mal anschauen noch Neues entdecken kann und die, ohne ein einziges geschriebenes Wort zu benötigen, dutzende Geschichten zu erzählen vermögen. Es galt also eine ungewöhnliche Struktur zu finden, in welche die Wimmelwelten eingebettet werden konnten, und da kam die zündende Idee durch ein Erlebnis mit meinen kleinen Halbbrüdern. Die haben Frisör gespielt und mich mit Spangen, Schere, Haargel und dergleichen bearbeitet und mir eine unvergessliche Frisur gezaubert. Und plötzlich war die Idee von der Fantasiefrisur da. Ich habe dann zu den einzelnen Arbeitsschritten (Waschen, Färben, Eindrehen und so weiter) frei assoziiert, die Motive thematisch strukturiert, und damit war das Konzept für mein Buch komplett. Blieb noch die Frage nach der technischen Umsetzung. Die Vorstellung, die Haarpracht nur mit Linien und in schwarz-weiß zu halten und die Fantasiewelt damit in Kontrast zu dem bunten Frisör Fridolin zu setzen, hat mich gereizt. Allerdings hab ich lange hin und her überlegt, ob ich mich das trauen soll - schließlich sollte es ein Kinderbuch werden und die sind großteils ja sehr bunt. Insgesamt hat mir die Arbeit an dem Buch sehr großen Spaß gemacht, vor allem, weil ich mich sehr frei und spielerisch bewegen konnte. Mich in diese Arbeit zu vertiefen war sehr befriedigend, um nicht zu sagen meditativ, was das ganze weniger als Arbeit, sondern mehr als Spiel erscheinen ließ. Zum Glück! Immerhin war es bis dahin das aufwendigste und zeitintensivste Projekt für mich. Insofern hoffe ich, dass der Spaß und die Mühe, die in dem Buch stecken, sich lohnen und für viele LeserInnen spürbar werden, wenn sie in die Welten des Fridolin Franse eintauchen.
Barbara Steinitz über ihre Arbeit an Rosie und der Urgroßvater
Im Jahr 2007 erhielt ich überraschend die Anfrage, ob ich für das Jüdische Museum in Hohenems/Vorarlberg die neue Dauerausstellung für Kinder illustrieren wolle. Idee des Kurators Hannes Sulzenbacher und des Museumdirektors Hanno Loewy war es, neben der neuen Dauerausstellung für Erwachsene die 300-jährige Geschichte der jüdischen Gemeinde in Hohenems auch für Kinder und Jugendliche zu erzählen. Vorarlberg kannte ich ein wenig, aber wo liegt Hohenems? Und woher hatte man dort von mir gehört? Ich war zu dieser Zeit erst seit einem Jahr als freiberufliche Illustratorin tätig. Der Kontakt war durch einen glücklichen Zufall entstanden: Der damalige Museumspädagoge, Helmut Schlatter, war bei der Suche nach einem geeigneten Illustrator auf ein von mir bebildertes Buch gestoßen, das kurz zuvor erschienen war. Meine Technik der Schattenbilder erschien ihm für die Kinderausstellung sehr passend zu sein. Also reiste ich mehrere Male zur Recherche nach Hohenems, um das Museum, die Mitarbeiter und die Autorin Monika Helfer zu treffen. Ihre Art zu erzählen, feinfühlig und dabei doch sehr authentisch und direkt, berührte mich auf Anhieb. Ihre Geschichten versuchen nicht, sich bei den jugendlichen Lesern anzubiedern, in Klischees zu verfallen oder gar mit einem moralischen Zeigefinger daherzukommen, was mich wiederum sehr inspiriert hat. Schwierig war also beim Skizzieren nicht die Ideenfindung, sondern vielmehr die vielen Ideen auszusortieren. Bei der Arbeit und in der Entwicklung meiner Bildideen hatte ich sehr freie Hand, stand aber im ständigen Austausch mit Helmut Schlatter und Hanno Loewy, um wichtiges historisches Bildmaterial und Wissen für meine Arbeit zu erhalten. Beim Illustrieren mag ich das Spiel mit kleinen Details, die nicht unbedingt im Text auftauchen. Wenn es um eine historische Erzählung geht, müssen diese Details stimmen und sorgsam überprüft werden. Was mir großen Spaß macht, weil ich eine Menge dabei lerne. Monika Helfer selbst hat abgewartet und sich überraschen lassen, bis die Bilder fertig waren. Für dieses Vertrauen bin ich ihr sehr dankbar.
Von Beginn an stand die Idee, diese illustrierten Geschichten auch als Jugendbuch herauszugeben. Dafür musste nun eine Rahmenhandlung geschaffen werden, die Monika Helfer zusammen mit Michael Köhlmeier schrieb: Die anrührend erzählte Geschichte von Rosie, die in New York lebt und regelmäßig ihren Urgroßvater besucht, dem sie die alten Geschichten aus Hohenems entlockt. Diese Geschichten des Urgroßvaters sind identisch mit denen im Museum, allerdings sind sie etwas abgewandelt und mit der Rahmenhandlung verwoben. Mit den Autoren und dem Hanser Verlag überlegte ich, ob zu dieser Rahmenhandlung neue Zeichnungen geschaffen werden sollen. Am Ende entschieden wir uns aber dafür, Rosie und ihren Urgroßvater ausschließlich auf dem Buchcover zu zeigen. Im Buch selbst sollten nur die Bilder der Vergangenheit, so wie sie im Museum zu sehen sind, gezeigt werden.
Für mich war es eine große Bereicherung, die 2 großartigen Erzähler Monika Helfer und Michael Köhlmeier, Hohenems und das Museum kennenzulernen. Die Geschichte der Hohenemser Juden hatte ich zuvor nicht gekannt, aber durch die intensive Arbeit an der Ausstellung und am Buch kamen sie mir sehr nahe, Reikle, die wilde Sophie, der Kantor Sulzer, der Hausierer Mendel, Rosie und ihr Urgroßvater... Zudem sind durch diese schöne Zusammenarbeit Freundschaften entstanden, die mich immer wieder nach Vorarlberg führen.
Carolin Philipps über ihre Arbeit an Wofür die Worte fehlen
Begonnen hat alles in meiner 7. Klasse, als mir klar wurde, warum einer meiner Schüler ständig Bauchschmerzen hatte, auf Klassenfahrten ins Bett nässte und bestimmten Themen auswich: Sein Vater missbrauchte ihn seit Jahren. Die Mutter ahnte es wohl, konnte und wollte sich damit aber nicht auseinander setzen. Als die Familie merkte, dass ich auf der richtigen Spur war, wurde der Junge unter Druck gesetzt und fiel in sein Schweigen zurück. Schule, Jugendamt und Kinderschutzbund waren hilflos.
Am Anfang dieses Buches stand die bittere Erkenntnis, dass man nicht helfen kann, solange das Schweigen regiert.
Wie immer, wenn mich etwas zutiefst betroffen macht, fange ich an zu schreiben, um aus dem Erlebten eine Geschichte zu machen.
Literarisch stand ich vor der Herausforderung, dass ich aufrütteln wollte, also den Missbrauch so konkret wie möglich schildern musste. Aber in einem Jugendbuch sind einem in dem Punkt Grenzen gesetzt.
In den japanischen Mangas jedoch werden schon immer sehr provokative, oft tabuisierte Themen über die gezeichneten Figuren angepackt. So habe ich mich in die Mangaszene begeben – literarisch, aber auch ganz konkret auf einer Cosplay Convention – und dann die Figur des Schwarzen Ritters und seines Sklaven geschaffen.
Die Hauptfigur meines Buches, Kristian, befreit sich zuerst mit Hilfe seiner gezeichneten Geschichte, dann gelingt es ihm auch in der Realität.
Ich hoffe und wünsche mir, dass meine Geschichte anderen Betroffenen Mut macht, das Schweigen zu brechen und sich jemandem anzuvertrauen, dass sie Lehrer und Erzieher aufrüttelt, damit sie genau beobachten und Missbrauch aufdecken.
Denn Schweigen hilft nur den Tätern.
Kathrin Steinberger über ihre Arbeit an Die Brüder von Solferino
2007 wurde ich gefragt, ob ich Kurzgeschichten für die Buchklub-Zeitschrift "JÖ" beitragen wolle. In einem Heft sollte es einen Schwerpunkt zu Henri Dunant geben (das Jugendrotkreuz Österreich ist Mitherausgeber). Ich habe eine Geschichte über ihn geschrieben, da ich selbst beim Roten Kreuz tätig bin. (Die Kurzgeschichte kommt heute leicht verändert als Kapitel im Roman vor.) Als sie einige Monate später erschien, merkte ich, dass ich mit den Figuren noch nicht "fertig" war. Sie hatten mehr zu erzählen. Der österreichische Verwundete war identitätslos. Ich war neugierig, was ihn nach Solferino geführt hatte.
Ich habe viele Bücher über Henri Dunant und den Krieg von 1859 gelesen, um über die historischen Fakten Bescheid zu wissen. Ich muss bei einem historischen Stoff die beschriebene Zeit gut verstehen. Weil Bücher nicht alle Fragen beantworten, habe ich Univ.-Prof. Dr. Karl Vocelka vom Institut für Geschichte an der Universität Wien zu einigen Details befragt, und er schickte mich dankenswerterweise zu DDr. Felberbauer, einem Brigadier mit umfassendem Wissen über das damalige Militär. Mein Beruf ist toll: Gestern hatte ich noch keine Ahnung von historischen Waffen – heute weiß ich sogar, was einen Lorenz-Jägerstutzen ausmacht.
Die räumliche Nähe und ein Stipendium vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur ermöglichten es mir, im September 2008 für 3 Tage zur Recherche nach Solferino zu fahren. Den Ort selbst zu sehen, war immens wichtig. Man begreift vieles erst, wenn man dort steht, wo die Soldaten campierten und kämpften. Glücklicherweise gibt es in der Gegend mehrere Museen, die sich dem Gedenken an die Schlacht widmen.
Ich fand es herausfordernd, für etwas, das so lange zurückliegt, eine lebendige Erzählweise zu finden. Karl und Ricardo sind ja die Ur-Ur-Ur-Großväter der heutigen Jugendlichen. Die Auseinandersetzung mit dem Grauen des Feldzugs hat meine Überzeugung, dass Dunants Ideen und die Genfer Konventionen die absolute Basis der Menschenrechte darstellen, weiter bestärkt.