Preisträgerinnen und Preisträger 2012
Allice Wellinger
Krokodil
Bibliothek der Provinz 2011
32 Seiten
18 Euro
ab 3 Jahren
Wie schnell ein Außenseiter in der öffentlichen Meinung vom Opfer zum Täter gemacht wird, besang einst Wolfgang Ambros in seinem Lied "Da Hofa". Dieser Mechanismus wird hier in einer Art Fabel aus dem Tierreich erzählt: Krokodil, eigentlich ein harmloser Mitbürger, wirkt mit seinen spitzen Zähnen und seiner grünen Haut gefährlich. So wird zuerst er verdächtigt, als mitten im Dorf eine gefährliche Fallgrube entdeckt wird. Die ängstlichen Bürgerinnen und Bürger werden zur Meute, zerstören Krokodils Haus und singen aufgebrachte Spottlieder. Analog zum "Hofa" stellt sich schließlich heraus, dass Krokodil selbst in die Grube gefallen ist. Als er sieht, was die anderen ihm angetan haben, verlässt er das Dorf für immer. Die simple Geschichte ist in der ungewöhnlichen "Wir-Form" erzählt, es spricht also die kollektive Masse, die den Außenseiter zum Feind stempelt. Die Sprache ist glasklar, der Weg zur Eskalation der Gewalt erschreckend kurz und einfach. Die Bedrohlichkeit des Szenarios wird durch klug gewählte Perspektiven und holzschnittartige Bilder unterstrichen.
Andrea Karimé / Annette von Bodecker-Büttner
Tee mit Onkel Mustafa
Picus Verlag 2011
136 Seiten
13,90 Euro
ab 7 Jahren
Kann das Land der Eltern, in dem man selbst noch nie war, eine Heimat sein? Kann das Land der Kinder zur Heimat werden, wenn das Leben daheim unerträglich wird? Solche Fragen werden in einen behutsam illustrierten Roman für Kinder erzählerisch eingebettet. Mina reist in den Ferien das erste Mal zu ihrer Familie in den Libanon und lernt dort eine Welt kennen, die ganz anders ist als das kühle mitteleuropäische Land, in dem sie aufgewachsen ist. Besonders fasziniert ist sie vom schrulligen Onkel Mustafa, einem alten Hirten, der am liebsten auf seinem alten Teppich sitzt und wunderliche Geschichten erzählt, in denen er selbst wie ein arabischer Eulenspiegel die Hauptrolle spielt. Doch in Idylle und Märchen bricht die Realität ein: Der Krieg zwingt die Familie, überstürzt heimzufahren, Onkel Mustafa kommt mit. Er hält es im neuen Land nicht aus, denn Wasser in der Heimat ist dem Menschen immer noch lieber als Honig in der Fremde. Stimmig wird aus kindlicher Perspektive das Spannungsfeld zwischen libanesischer Realität und fantastischer arabischer Märchenwelt deutlich.
Willy Puchner
Willy Puchners Welt der Farben
Residenz Verlag 2011
40 Seiten
19,90 Euro
Für jedes Alter
Beeindruckend schöne Bild- und Textcollagen präsentieren Farbspektren und Farbtöne für verschiedene Länder, Städte und Orte. Auf jeweils einer Doppelseite finden wir etwa die Farben des Himmels, die von Eis und Schnee, die Farben Indiens oder Japans, um am Ende über Frankfurt in Wien anzukommen: eine Verdichtung des sinnlichen Erlebens von Reisen, in der in einem handschriftlich gesetzten Sprachfeuerwerk persönliche Gedankengänge, Sprichwörter, Sachinformationen und Zitate aufeinandertreffen. Puchners Farben atmen und leben und bekommen auch besondere Namen. Das Maradona-Blau Argentiniens trifft auf das Bardot-Braun von Paris. Hier werden Farben zu fließenden Räumen, so wie man Stimmungen nicht exakt festhalten kann, bildet jede Farbe eine Welt voller Nuancen und Verläufe – groß und von vielfältigen Sehnsuchtsräumen durchzogen. Ein Gesamtkunstwerk, das in Ruhe erschlossen werden will.
Michael Stavarič / Renate Habinger
Hier gibt es Löwen
Residenz Verlag 2011
32 Seiten
14,90 Euro
Für jedes Alter
Sprachspielereien haben in der österreichischen Kinderliteratur eine lange Tradition – und nun auch wieder einen aktuellen Protagonisten: Antonio, den italienischen Dekorierer aus dem Verzierstudio. Der bemalt seinen Kunden Leopold von der Ferse bis zum Hinterkopf, da werden weder Kniekehlen noch Fingerkuppen ausgelassen. Totenköpfe mit Zöpfen zieren den Oberschenkel, unter der Achsel schwebt ein Kosmonaut, am Po tummelt sich ein ganzer Zoo, zu dem natürlich auch reichlich Löwen gehören. Dabei hat Antonio doch eigentlich nur seine Liebe zu Antonia im Kopf … Ein vor Ideen überbordendes Körper-Panoptikum der Wörter und Bilder: Da reimt Michael Stavarič unbekümmert und doch stimmig vor sich hin, ohne sich um Metrik oder Logik zu kümmern, und mit der gleichen Lust an skurrilen Gedankengängen lässt Renate Habinger ihre Löwen, Gummibärchen und Skelette über alle Körperteile tanzen. Ein Bilderbuch, das Alters- und Genrebegrenzungen mit spielerischer Leichtigkeit sprengt.