Preisträgerinnen und Preisträger 2022
Brüder Grimm, Julie Völk: Zur Zeit, wo das Wünschen noch geholfen hat
Gerstenberg Verlag 2021
400 Seiten
Ab 4 Jahren
Ein Märchenschatz wird gehoben und ein Kleinod daraus gemacht: Julie Völk schafft für ausgewählte Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm einen ganz neuen Rahmen. Denn einer illustratorischen Ariadne gleich legt sie mit ihren feingliedrigen Illustrationen einen Faden durch die Märchenwelt und lenkt den Blick auf die Mädchen- und Frauenbilder. Die Farbe Rot bleibt dabei das bestimmende künstlerische Element: Titel, Vignetten und Schmuckleisten lenken die Betrachter:innen durch die Textseiten, verdeutlichen Bewegungen, Blickrichtungen und Emotionen. Darüber hinaus greifen zarte Bebilderungen zahlreiche Szenen auf und schaffen den Figuren in Gelb- und Blautönen jene Räume, in denen Wünsche formuliert und Verwünschungen ausgesprochen werden. Einsam und zerbrechlich scheinen die mit Buntstiften gezeichneten Mädchen und Frauen der Märchen, wenn das schicksalhafte Geschehen sie dem Ungewissen aussetzt. Und doch bleiben sie willensstark – auch und insbesondere in ihrem Miteinander. In ihrem fragilen Ambiente betonen die Illustrationen das Wundersame der Märchen und erschaffen gemeinsam mit dem graziösen Neu-Arrangement der Texte ein bibliophiles Kinder- und Hausbuch.
Lena Raubaum, Katja Seifert: Mit Worten will ich dich umarmen
Tyrolia Verlag 2021
96 Seiten
Ab 4 Jahren
Die hier versammelten Gedichte und Gedanken ergeben in ihrer klugen Zusammenstellung eine lyrische Hausapotheke für den gemeinsamen Alltag von Klein und Groß. Sie beinhalten "Trostpflaster" für Momente, in denen es Wunden zu heilen gilt, Sinnsprüche, die verlässlich Zuversicht spenden, und "Fragen, die guttun können". Sie wecken die "Entdeckerinnenfreude", schärfen die Vorstellungskraft, lassen die Leser:innen "Mutausbrüche" und „"Traumreisen" erleben und sind stets auf der Suche nach "Wort-Schätzen" und Glücks-Gewissheiten in der alltäglichen Begegnung zwischen "Du & Ich" und "Wir & die Welt". Zwischen klassischer Strophenform, gewitztem Sprachspiel und pointiertem Aphorismus werden formal abwechslungsreich große Emotionen und Gefühle wie Freude, Glück und Dankbarkeit erkundet. Die zarten, nie in den Vordergrund drängenden Illustrationen von Katja Seifert harmonieren bestens mit Lena Raubaums Lyrik, die herzerwärmend den kleinen Dingen auf der Spur ist und bei aller überzeugenden Einfachheit auch etwas Hintergründiges an sich hat und auf Witz und Humor nicht vergisst.
Michael Stavarič, Michèle Ganser: Faszination Krake
Leykam Verlag 2021
144 Seiten
Ab 8 Jahren
Sie besitzen drei Herzen, acht Arme und zweitausend Saugnäpfe. Sie sind überaus stark, extrem intelligent und bevölkern seit 400 Millionen Jahren die Erde. Was dieses schön gestaltete und sorgfältig gedruckte Buch an erstaunlichen Fakten und wissenschaftlichen Informationen über Kraken versammelt, ist beeindruckend. Darüber hinaus birgt es aber – weit ab vom klassischen Sachbuch-Format – eine großartige, stets in persönlichem Ton gehaltene und von Forschergeist, Neugier und Faszination beseelte Erzählung über unseren Planeten. Dabei werden wie nebenbei Fragen der Evolution oder Genetik schon für jüngere Kinder verständlich erklärt, zusätzlich gibt es kurioses Wissen für Schlauköpfe, Suchbilder, Rätsel, allerhand Witziges und große Illustrationskunst. Zu sehen sind natürlich Kraken, Kalmare und Oktopoden auf altmeisterlich anmutenden Schautafeln, vor allem aber atemberaubende Bilder, die die unendlichen Weiten von Ozean und Weltall miteinander verbinden und, wenngleich "nur" in Schwarz-Weiß und ein bisschen Gold gehalten, beim Betrachten aufs Schönste zu funkeln und leuchten beginnen.
Nils Mohl, Regina Kehn: An die, die wir nicht werden wollen
Tyrolia Verlag 2021
168 Seiten
Ab 12 Jahren
Vielstimmigkeit und Rhythmuswechsel kennzeichnen die Sätze einer Sinfonie. Beide Aspekte werden aufgegriffen, wenn in einem Countdown auf einen 18. Geburtstag hin erzählt wird. Wobei Narration im engeren Sinn aufgelöst wird und das Coming of Age sich in einem Arrangement unterschiedlicher Textsorten spiegelt. Alles scheint dabei ein wenig in Schwebe zu sein; denn es gilt, das Erwachsenwerden mit einem in die Zukunft gedachten Erwachsensein in Einklang zu bringen. Nils Mohl folgt dem Tagesablauf eines Ichs – und vollzieht dabei die Wege durch den Alltag gleichermaßen nach wie Gedankengänge, Dialoge, mediale Pfade. Regina Kehns Illustrationen geben den Takt vor, in dem unterschiedliche Spielarten von Identität erprobt werden. Unterschiedliche Varianten des literarischen Ichs (das lyrische Ich, das medial inszenierte Ich, das unzuverlässige Ich) werden dabei in Lyrik- und Prosa-Passagen aufgegriffen, aber auch in metatextuellen Einsprengseln literarisch reflektiert. Was auf den ersten Blick wie eine fragmentarische Anordnung wirkt, wird dieserart zu einer Text-Komposition, mit der ein ganz eigener Sound von Adoleszenz geschaffen wird.