Über die Arbeit an den Preisbüchern 2022

Was für eine Herausforderung! 
Julie Völk über ihre Arbeit an "Zur Zeit, wo das Wünschen noch geholfen hat"

Bevor ich mich an die Arbeit an diesem Buch machen konnte, musste ich erst einmal meine Angst beiseiteschieben: Einen Sammelband mit Grimms Märchen illustrieren – was für eine Herausforderung! Als mir meine Lektorin vom Gerstenberg Verlag den Vorschlag machte, hatte ich sofort all die Märchenbücher vor Augen, die es schon gibt. Und vor lauter Aufregung vergaß ich glatt das Glück, so ein tolles Projekt umsetzen zu dürfen. Bis ich mir selbst genügend Mut zugesprochen hatte: Der Verlag und die Verlagsleiterin, Frau Filthaut, werden schon wissen, was sie vorhaben – und warum ausgerechnet ich es machen soll. Dann konzentrierte ich mich auf die Märchen.

Obwohl ich schon etliche Bilder zu den Geschichten gesehen hatte, fiel es mir gar nicht schwer, meine eigenen zu finden. Weil die Texte in Originalfassung gehalten, also nicht verniedlicht oder angepasst wurden, haben mich die Märchen aufs Neue fasziniert. Ich habe versucht, mich auf die Stimmung zu konzentrieren, die magischen Szenen darzustellen, ohne sie komplett auszuzeichnen. Dass sich das Brüderlein in ein Reh verwandelt und der Froschkönig in einen Prinzen ist zwar in der Vorstellung spannend und magisch, ist aber in einem Märchen ganz selbstverständlich. So sollte es sich auch in meinen Illustrationen anfühlen.

Schwerer war es, die richtige Technik zu finden. Die Zeichnungen sollten nicht altbacken wirken, nicht zu niedlich, auch nicht zu düster. Es lief wie so oft: Nach wochenlangen Experimenten landete ich bei der Technik, die ich meistens verwende – Aquarell, Pastellkreide, Buntstift und Bleistift. Die stimmungsvollen, farbigen Bilder habe ich durch knallrote, mit Feder gezeichneten Vignetten ergänzt. Sie lockern das Layout auf, haben aber noch eine zweite Funktion: Sie erzählen mehr über die Geschichte als die größeren Bilder, die eher die Grundstimmung des Märchens widerspiegeln.

Fast ein Jahr habe ich mit dem Projekt verbracht, mittendrin wurde der erste Corona-Lockdown verhängt, und ich arbeitete im Wohnzimmer neben meiner Tochter an den Zeichnungen. Eine besondere Zeit – ich bin froh, dass ich in diesen Monaten in den Märchen versinken durfte.

Von Vorstellungskräften und "gans" viel Gutem 
Lena Raubaum über ihre Arbeit an "Mit Worten will ich dich umarmen"

Alles und sehr viel begann mit einer Anfrage. Mit der Anfrage Kathrin Wexbergs von der Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur, ob ich mir vorstellen könnte, für eine Kindergebete-Anthologie des Tyrolia Verlags Texte zu schreiben. Diese Texte führten in weiterer Folge am 15. Jänner 2021 zu einem Treffen per pedes – Gehsprechung genannt. Mit dabei waren Katrin Feiner vom Tyrolia Verlag, ich und die Frage, ob ich mir vorstellen könnte, ein ganz und gar eigenes Buch mit lyrischen Texten zu füllen, die Mut und Zuversicht schenken, zum Lächeln und Lachen bringen, aufatmen lassen und Trost spenden würden.

Zitat Katrin Feiner: "Ich glaube nämlich, so ein Buch braucht es. Und so ein Buch braucht es jetzt!"

Zitat ich: "Allerdings! Und wie!"

Ich weiß noch, dass wir beide viel lächelten und dass ich mit dem Gefühl ausgelassener Heiterkeit nach Hause ging.

Im verdichtenden Werkeln erstellte ich einerseits eine Mind-Map von Situationen oder Gefühlslagen, in denen es wohltuende Worte braucht, und ließ mich andererseits von der Inspiration überraschen – auf meinem Atelierplatz, bei Spaziergängen, durch aufgeschnappte Wortfetzen oder von der Stille kurz vorm Schlafen (weitere Orte sind in dem Gedicht "Wo gute Ideen wohnen" zu finden).

Im Aufspüren der Illustratorin schlug Katrin Feiner eine gewisse Katja Seifert vor und – spoiler alert – das passte auf vielen Ebenen hervorragend. Um nicht zu sagen "gans" hervorragend. Doch dazu gleich. Anfangs waren etwa 30 Texte vorhanden; für ein ganzes Buch brauchte es natürlich mehr. Etapplich und packerlweise lieferte ich Gedichte, Katja illustrierte und Zoom sei Dank gab es regelmäßige Treffen zur Abstimmung mit Katrin Feiner. Fast immer war ich allumfassend angetan von Katjas Entwürfen, einzig bei einer Illustration war ich bitzlig: bei der Gans zum Gedicht „Gans im Glück“. Hier bat ich um mehrere Runden und als ich schlussendlich freudig nickte, meinte Katja: "Wie sehr mich das freut, dass die Gans nun gans die Gans ist!"

Am 2. Juni 2021 war mit dem letzten Packerl klar, dass 90 Gedichte und Gedanken ihren Weg in das Buch „Mit Worten will ich dich umarmen“ finden würden. Zum Titel kam es übrigens, um in einer Zeit, in der physische Umarmungen rar geworden waren, zumindest "sprachgefühlvolle" zu ermöglichen.

Katrin Feiner sagt und sagte oft: "Dieses Buch wollte auf die Welt kommen." Und so fühlte und fühlt es sich an. Darum verbinde ich mit diesem Buch – und all dem, was es an Zusammenarbeit, Zusammenfreude, Resonanz und Widerhall mit sich bringt – jenes beglückende Gefühl, das entsteht, wenn man auf wohltuende Art und Weise in den Arm genommen wird. Dafür bin ich dankbar. Gans gewiss.

Diese gewisse Leichtigkeit 
Katja Seifert über ihre Arbeit an "Mit Worten will ich dich umarmen"

Was den Arbeitsprozess an dem Buch am besten beschreibt, ist der "Austausch von Päckchen". Von Lena Raubaum, der Autorin, bekam ich wöchentlich ein Päckchen an Gedichten zugeschickt und Lena und der Verlag bekamen dann immer ein Päckchen an Skizzen zu den Gedichten zurück. Nach der Freigabe der Skizzen arbeitete ich auch päckchenweise die Skizzen mit Tusche, Gouache und Buntstift aus. Es tat total gut, diesen regelmäßigen, beinahe wöchentlichen Austausch zu haben. Das gab in dieser seltsamen Zeit mit so vielen Fragezeichen viel Struktur und Halt und dies wiederum wirkte sehr erdend. So las ich mir immer das Päckchen an Gedichten durch und die ersten Ideen dazu habe ich sofort skizziert. Die Charaktere haben wir bald auf zwei reduziert, deshalb konnte ich schnell die Bildideen mit den beiden umsetzen. Nach dem Okay zu den Skizzen wurden diese dann ausgearbeitet.

Man kann schon sagen, dass es ein sehr intuitives Arbeiten gewesen ist, gelenkt von den Gedichten. Ich arbeite gern mit Gouache, da es einerseits diese Leichtigkeit der Aquarellfarben besitzt, auch das Unvorhersehbare, aber auch mal ganz opak und fest entschlossen wirkt. Die Zartheit der Tusche und die Kraft des Buntstifts dazu – ich mag die Mischung. Spannend war natürlich auch die Gestaltung des Covers – das war ganz zu Beginn. Ohne viele Gedichte zu kennen – ich kannte nur den Titel. Keine Frage, dass es hier eine Umarmung geben würde. Mir gefiel der Gedanke, die Innigkeit der Umarmung und des "Weitergebens" zu zeigen, aber die Charaktere sollten sich erst im Innenleben des Buches näher vorstellen.

Dieses Buch ist das erste Buch, für das ich Illustrationen machen konnte. Und es war eine sehr schöne Erfahrung, an dem Buch mit Lena und dem Verlag zu arbeiten, da gerade die Struktur so guttat. Vor allem aber ging alles mit einer Leichtigkeit voran. Und ich hoffe, dass diese gewisse Leichtigkeit auch bei den Leserinnen und Lesern von klein bis groß ankommt.

Eine Reise ins Innere 
Nils Mohl über seine Arbeit an "An die, die wir nicht werden wollen"

Im Jahr 2005 hatte ich das Gefühl, tief in einer Krise zu stecken. Mitte dreißig. Kein Verlag wollte meinen ersten Roman. Der Traum von der freiberuflichen Schriftstellerei schien völlig außer Reichweite. Zweites Kind unterwegs. Den Knochenjob als Lagerarbeiter gerade geschmissen, um ein Praktikum in einer Werbeklitsche zu machen. Dort werkelte ich Artikel für das Mitarbeitermagazin der Hamburger Feuerwehr zusammen. "Löschblatt" hieß es.

Um halbwegs bei Verstand zu bleiben, schrieb ich in den Mittagspausen oder heimlich zwischendurch kürzere Texte. Ich schrieb Gedichte, die aussahen wie Prosatexte. Und umgekehrt. Ich schrieb, zählte Silben, experimentierte mit der Gestaltung. Es entstanden Fragmente aus dem Alltag eines Ichs, das mit Gegenwart und Wirklichkeit hadert, das sich verloren und allein fühlt wie ein Gestrandeter auf einer einsamen Insel. In dessen Kopf aber die Poesie und ein Rest Humor als letzte Rettungsringe ausgeworfen werden. Über Monate wuchs sich das alles zu einem beachtlichen Konvolut aus. Arbeitstitel: "Guten Tag, mein Name ist Klimbimson Kreuzer".

Das war der Anfang.

Im Laufe der Jahre kehrte ich immer wieder zu dieser Textcollage zurück. Ich wurde älter – und das Ich im Text stetig jünger, schien mir. Und noch etwas fiel auf: Mir war, als wenn von allen Krisen des Lebens eine seltsam heraussticht, weil sie uns alle zum selben Zeitpunkt ereilt, rund um den 18. Geburtstag. So gab es schließlich einen roten Faden, dem ich folgte. Und anderthalb Jahrzehnte nach den ersten Sätzen, der 50. Geburtstag rückte langsam näher, wurde dann dieses eigenwillige Projekt fast fertig. Ein Opus Magnum Mini, wenn man so will, in dem sich alles um die Ängste und Sehnsüchte der Jugend am Ende der Jugend dreht, um die letzten Tage und Stunden vor der Volljährigkeit – gestaltet als eine Reise ins Innere, als ein Stream aus den Hirnregionen, in denen unaufhörlich der Dialog mit sich selbst läuft.

Aber!

Das Buch wäre vielleicht nie veröffentlicht worden, wäre Regina Kehn nicht gewesen. Ich kannte von ihr "Das literarische Kaleidoskop". Als Fan, der ihr noch nie persönlich begegnet war, habe ich ihr einfach geschrieben und sie gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, mir das Cover zu gestalten. Das war zu Beginn der Corona-Pandemie 2020. Und am Ende hat eine der großartigsten und bestimmt auch liebenswertesten Künstlerinnen weit und breit dann sogar den gesamten Text illustriert. Und damit das Werk erst wirklich vollendet.

Welch Geschenk!

Ein freies Experiment, das mich sehr beglückt hat 
Regina Kehn über ihre Arbeit an "An die, die wir nicht werden wollen"

Die Texte von Nils Mohl begleiten mich schon lange. Es hat bis zum Herbst 2020 gedauert, bis wir uns kennenlernten und darüber nachdachten, miteinander ein Buch zu machen. Nils schickte mir einige Manuskripte, darunter auch eine Textsammlung, die er "Guten Tag, mein Name ist Klimbimson Kreuzer" nannte. An ihr hatte er schon einige Jahre immer wieder mal gearbeitet. Sie schien ihm nicht markttauglich und in keine Schublade zu passen. Es war eine Mischung aus Worten, Satzbausteinen, konkreter Poesie, Textmitteilungen … Auch mir waren die Texte zunächst schwer zugänglich. Aber es gab darin eine spezielle, sehr starke Atmosphäre, einen besonderen Ton und auch wunderbar berührende Poesie.

Dann hat sich der Tyrolia-Verlag sehr kurzfristig und sehr begeistert für die Veröffentlichung entschieden. Nils änderte den Titel in "An die, die wir nicht werden wollen". Die Zeit war knapp, aber der große Vertrauensvorschuss von Nils und vom Verlag gaben mir Rückenwind.

Wir kommen beide aus Hamburg und ich kenne den Stadtteil Jenfeld, der zuweilen auch als Problem-Stadtteil gesehen wird, obwohl es dort auch viele idyllische Ecken und Straßen in Einfamilienhaus-Bebauung gibt. Hier ist Nils aufgewachsen. Hier lebt er und hier spielen viele seiner Geschichten. Mein erster Zugang war, eine Ecke des Einkaufszentrums, einen Teil einer Fußgängerbrücke zu skizzieren, mich hier in die Atmosphäre des Alltags zu versetzen. Später habe ich assoziativer zum Text gezeichnet. In der großen Freiheit, die ich hatte, war mir wichtig, mich in den Mitteln zu beschränken. Das bedeutete: Bleistift und Pinsel für schwarz-weiß, nur eine Farbe dazu, Rot. Vor einigen Jahren habe ich von den Mitschülern unserer älteren Tochter Portraits mit dem Pinsel und schwarze Tinte gezeichnet. Alle waren 17, 18 Jahre alt, in dieser sehr speziellen Zeit des Volljährigwerdens, die in dem Buch thematisiert wird. Es war für mich ganz klar, diese Portraits für die Illustrationen im Buch zu benutzen und mit den Skizzen zu kombinieren. So kam ich weg von einem einzelnen Protagonisten hin zu einer Art universellem oder kollektivem Tagebuch. Es gab keine Trennung von Entwurf und Reinzeichnung. Ich arbeite vielfach in einer Verbindung analoger und digitaler Techniken und habe so die vorhandenen Pinselzeichnungen und die Bleistiftskizzen digital collagiert. Für andere Zeichnungen habe ich einen Aspekt, eine Zeile oder ein Wort herausgenommen und dazu gezeichnet. Zwei Liegestühle, zum Beispiel: Erst war die konkrete Vorstellung da, die sich dann aber auf dem Papier stark verändert hat. Die Arbeit an dem Text wurde zunehmend leichter und war ein freies Experiment, das mich sehr beglückt hat. Dass das Buch in der Typographie und im Layout so schön geworden ist, verdanken wir der Grafikdesignerin Nele Steinborn.

Befreit von Schwerkraft und Auftrieb 
Michael Stavarič und Michèle Ganser über ihre Arbeit an "Faszination Krake"

Auf der Suche nach einem Thema für meine Masterarbeit stieß ich anlässlich seines 100. Todestages 2020 auf die Arbeiten von Jacques-Yves Cousteau, ein französischer Meeresforscher, der sich unter anderem sehr intensiv mit Kraken auseinandersetzte. Die Schilderung seines ersten Tauchgangs, der für ihn wie das Eintauchen in eine neue Welt war, hat mich sehr beeindruckt. Insbesondere sein Zitat "Befreit von Schwerkraft und Auftrieb, flog ich durch das All" hat maßgeblich zur Gestaltung meiner Illustrationen beigetragen.

Tanja Raich, Programmleiterin für Literatur und Kinderbücher beim Leykam Verlag, wurde zufällig bei Instagram auf die Illustrationen meiner Masterarbeit aufmerksam und hat mich gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, mit ihr gemeinsam ein Kinderbuch daraus zu machen. Den passenden Autor hatte Tanja auch schon gefunden: Michael Stavarič.

Aufgrund seines großen Interesses für unsere Meere und auch Kraken im Speziellen (wer das Buch gelesen hat, der weiß, dass Michael ursprünglich mal Meeresbiologe werden wollte) entstanden die spannenden Texte, in denen aber immer wieder auch ganz andere Themen aufgegriffen werden. Ihm ist es dabei wunderbar gelungen, in seinen Texten immer wieder Bezüge zu meinen schon fertigen Illustrationen herzustellen. Entstanden sind die Illustrationen immer mit einem konkreten Bild vor Augen, für das ich die einzelnen Bildelemente wie Fische und Korallen separat mit Fineliner gezeichnet habe, immer unterstützt von Musik, Kaffee und diversen Podcasts. Das fertige Bild ist dann am Ende durch das digitale Zusammensetzen der einzelnen Bestandteile entstanden.